Auch wenn man meinen müsste in Zeiten der NSA-Affäre und 16 Millionen entwendeter Datensätze (vornehmlich deutscher Internetnutzer) müsste es wichtigere Themen als das Folgende geben, so zieren zahlreiche Meldung rund um, formulieren wir es einmal freundlich, geschönte Teilnehmerzahlen und Sensationsjournalismus bei gestandenen Stiftungen, die eigentlich neutral dem Verbraucherschutz dienen sollten, die Schlagzeilen diverser Tageszeitungen.
So bekleckerte sich der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) jüngst nicht wirklich mit Ruhm: Der bisher durchaus als Aushängeschild geltende Preis Gelber Engel für das "beliebteste Auto der Deutschen" scheint bereits seit Jahren nur von einer Handvoll der gut 19 Millionen Mitglieder gewählt worden zu sein. Die Lösung ist denkbar einfach: Aus 3.409 Stimmen für den Golf mache man 34.299 und das Problem ist beseitigt! Gestandene Statistiker wie Social-Media-Experten mögen einwenden, dass selbst geschönte 290.000 Stimmen (2013) für beinahe 19.000.000 Mitglieder eine eher magere Konversionsrate (~1,2 Prozent) sind - aber sei es drum.
Schokolade unter die Räder: Stiftung Warentest
Dagegen schon beinahe seriös wirkend könnte man die Stiftung Waretest (StiWa) bezeichnen - bei allein 3,5 Millionen Euro Förderung aus Steuergeldern in 2012 mag man das auch erwarten. Messwerte zu erfinden scheint selbst der StiWa etwas zu krass - sie etwas, sagen wir (un)wohlwollend, zu interpretieren aber OK, sofern der spätere Artikel dafür möglichst reißerisch klingt. So kassiert der Klassiker Ritter Sport Voll-Nuss ein "Mangelhaft" im Test von 26 Nussschokoladen wegen des vermeintlich falsch deklarierten Vanille-Aromastoffs Piperonal. Genauer dreht sich der Streit darum, ob Piperonal nun ein „natürliches Aroma“ sei (also aus natürlicher Quelle gewonnen wird) oder doch "künstlich". Da die StiWa bis auf das eigene Ego - entschuldigung: natürlich das "eigene Urteilsvermögen" - keine Beweise vorlegen konnte, erwirkte der Hersteller Ritter Sport - mit einer eidesstattlichen Erklärung des Aroma-Zulieferers Symrise in der Tasche - vorerst eine einstweilige Verfügung gegen die Stiftung Warentest. Fortsetzung folgt.
Und dann waren da 2012 noch die bösen Weihnachtskalender mit zu vielen Mineralölbestandteilen in der Schokolade. Zwar sind auch hier die Messwerte nicht das Problem - Mineralöle in Lebensmittel stellen tatsächlich ein großes Problem dar und kommen vor allem aus Druckerfarben und Pappverpackungen aus Recycling-Papier in unsere Lebensmittel - jedoch haben sich Wissenschaft und Gesetzgeber bis heute nicht auf Grenzwerte einigen können, da eine präzise Gefährdungsabschätzung äußerst komplex ist. Woher sich die StiWa diese Kompetenz nimmt?
Die Liste der "Fehlinterpretationen" und mangelhaften Testbedingungen ließe sich übrigens problemlos weiter fortführen: Hersteller zahlreicher E-Bikes kamen zu dem Schluss, dass die Testbedingungen der StiWa nicht realitätsnah waren (Aufmacher: "Der Tod fährt mit") und die Rahmen aufgrund der falschen (und übrigens auch nicht EU-Norm-gerechten) Einspannung in die Teststände vollkommen anders belastet wurden als es notwendig wäre, um die Belastung im Alltag zu simulieren. Auch Nachfragen bei großen Händlern hätten schnell ergeben, dass die Schadensbilder so nie in der Realität zu beobachten sind. Allein die Folge eines Hersteller waren, nach eigenen Angaben, Einkommensausfälle im zweistelligen Millionenbereich. Alles was Räder hat scheint der StiWa eh Probleme zu machen: So wertete man 2010 beim, übrigens in Kooperation mit dem ADAC durchgeführten, Test von Kinderanhängern für Fahrräder ("Anhänger im Test: Gift am Haken") vier von zehn Kandidaten wegen der Überschreitung von PAK-Grenzwerten (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) ab. Leider bezog man sich dabei auf die Grenzwerte für Beißringe, Schnuller und ähnliche Gegenstände, nicht jedoch auf die vom Gesetzgeber als unbedenklich angesehenen Höchstmengen für Kunststoffverkleidungen. Auch einen Migrationstest führt man nicht durch. Hätte man selbigen gemacht, käme man, wie der TÜV Rheinland, zu einem etwas anderen Ergebnis: Die behauptete Gesundheitsgefährdung sei „nahezu ausgeschlossen“.
Wofür eigentlich noch unabhängige Tests? Samsung Fan-Reporter
Da mag sich so manch ein Hersteller fragen: Wofür überhaupt noch professionelle Produkttests? Samsung zeigt wie die Zukunft für die Hersteller funktioniert - nicht mehr nervende Journalisten testen, bewerten und vergleichen neue Produkte, sondern die Fans der eigenen Marke. Einfach genial! Damit auch erst gar nicht der Eindruck entstehen könnte, es ginge hier auch nur irgendwie neutral zu, verspricht man als Gegenleistung ganz offen Ruhm und Geld.
Dass es mit der, nennen wir es einmal Transparenz, nicht so gut gestellt ist, wenn es um die finalen Videos geht... Nun gut, am Ende käme ein gutgläubiger Zuschauer glatt auf die Idee, er würde hier nicht objektiv beim Kauf beraten werden. Der neuste Samsung Fan-Reporter MrBlogify war einmal so freundlich die bisherigen Produktionen schön zusammenzufassen. Mit dabei ein Review von AlexBexi, klassisches Product-Placement bei Y-Titty und ein Gewinnspiel + Kameratest mit Benjamin Jaworskyj. Die Reviews sind dabei einmal mehr, einmal weniger kritisch - empfehlenswerte(re) Konkurrenzprodukte werden jedoch nie genannt.
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Zugegeben: Ganz ohne professionelle Tests kommt auch der südkoreanische Elektronikriese Samsung nicht aus. Fast schon etwas spöttisch der testenden Redaktion gegenüber titelte man wie folgt auf facebook:
Garantiert ohne künstliche Aromastoffe: Das Samsung GALAXY Note 10.1 LTE 2014 Edition ist Testsieger bei Stiftung Warentest.
Wer bei der abgebildeten StiWa-Grafik etwas genauer hinsieht wird im ersten Moment glauben, er habe zum Frühstück anstelle von Kaffee zur Wodka-Flasche gegriffen - "Im Test: 2 Tablets 9,7 bis 10,0 Zoll". Wie ein 10,1-Zoll-Tablet in diesem wirklich gewaltigen Testumfeld gewinnen konnte? Wahrscheinlich dank des besonders großen Displays!
Leider kein Einzelfall
Aber kommen wir am Ende einmal wieder zum, durchaus ernsten, Kern der Sache zurück: Wer sich in Zukunft sowohl objektiv als auch kompetent vor dem Kauf neuer Produkte beraten lassen will, wird es immer schwerer haben eine passende Anlaufstelle zu finden. Etablierte Internetforen vereinen neben einigen unschätzbaren Community-Ikonen auch jede Menge fundiertes Halbwissen und sind alles andere als kompakt, etablierte Vereine und Stiftungen driften in gefährliche Regionen der Inkompetenz und Sensationslust ab und bisher als authentisch angesehene Newcomer verkaufen ihre Ideale für "Ruhm und Geld" an den Meistbietenden - z.B. auch an Electronic Arts (EA) zur Bewerbung vom Shooter Battlefield 4.
Bleiben eigentlich nur noch Online- und Print-Magazine, die sich auf bestimmte Produktgruppen spezialisiert haben und mit ihrer Expertise über Jahre hinweg eine große Nutzerbasis aufbauen konnten. In Deutschland wären das unter anderem Chip, Computerbase.de, Heise, Tom's Hardware und weitere große Magazine sowie kleine Nischen-Magazine. Und genau dieser, wenn man so will, letzten Bastion sagt der Durchschnittsnutzer mit dem Einsatz von Werbeblockern à la AdBlock Plus dann auch noch den Kampf an.
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Dabei sollte jedem halbwegs intelligenten Individuum eines klar sein: Werbung wird es immer geben, was sich ändert ist lediglich ihr Erscheinungsbild. Die Vergangenheit hat eindrucksvoll gezeigt, dass raffinierte Werbeblocker immer zu neuen Werbeformen geführt haben. Wurde der Kampf anfangs noch auf dem technischen Schlachtfeld ausgetragen und Pop-Ups durch Ad-Layer-Werbung ersetzt, hat die Werbeindustrie mittlerweile einen viel besseren Weg gefunden: Man integriert die Werbung so tief in den eigentlichen Inhalt, bis selbst die meisten Leser redaktionellen Inhalt und Werbung nicht mehr trennen können. Geschweige denn irgendein Adblocker. Die Zauberworte heißen Advertorials, Sponsored Reviews (aka Fan-Reporter), Product Placement oder eben einfach nur Schleichwerbung.
Wie ist Ihre Meinung zum Thema Produkttests? Brauchen wir überhaupt noch professionelle Tester oder sollten Konsumenten lieber Konsumenten beraten? Und wenn wir professionelle Tests erhalten wollen, wie sollen/dürfen sich diese finanzieren? Sagen Sie es uns in den Kommentaren.
simon am
Meiner Meinung braucht man schon noch professionelle Tester, weil wenn Konsumenten Konsumenten beraten, wird das so enden, wenn der eine sagt kauf dir ein iPhone, dann kauft er sich ein iPhone und wenn einer sagt, kauf dir das Nexus 5, dann kauft er sich das Nexus 5.
Professionelle Tester sollten sich (unter anderem) durch Werbeeinnahmen finanzieren. Es gibt nervige Seiten, wo man eine Ewigkeit braucht, bis man den Text lesen kann, da so viel Werbung ist. Das ist nervig, aber dann sucht man eine andere Website, wie Matthias im Video sagt. Da findet man (fast) immer eine alternative.