Nachbearbeitung in der Fotografie

  • Hi Leute
    ich dachte ich eröffne einfach mal einen Thread zu diesem viel diskutierten Thema.
    Es gibt Künstler die sich darauf spezialisiert haben, "gephotoshopte" Bilder zu machen. So schießen sie zum Beispiel ein Bild in der Innenstadt und fügen dann zum Beispiel ein Bild von aufgewühlten Wellen so ein, dass es aussieht, als würde die Welt untergehen.


    Dazu meinen die Einen:
    -"Ich möchte mein Bild optimieren und dazu kann ich alle nachbearbeitungstechnische Mittel nutzen."


    Die Anderen aber sagen:
    -"Ein Fotograf bildet die Wirklichkeit ab und verändert diese, wenn er das Bild anders haben möchte, nicht das Bild selbst."


    Das war natürlich in beiden Fällen kein Zitat und auch nur EIN Argument jeder Seite.


    Ich möchte einfach wissen wie ihr das seht.


    Ich persönlich finde, dass leichte Veränderungen in der Nachbearbeitung, wie zum Beispiel Farbtöne oder Helligkeit das Bild immernoch ein Foto sein lassen, während Zusammenschnitte, die oft nichts mehr mit der Realität zu tun haben(wie das obige Beispiel) für mich keine Fotos mehr sind. Es ist ein Bild, was aus mehreren Fotos besteht. Quasi eine Collage. Denn in jedem einzelnen Teil (Wellen, Innenstadt) wird die Realität fotografisch widergespiegelt.



    p.s. An meiner Begründung ist auch zu erkennen, dass ich sehr stark zwischen dem Wort "Bild" und dem Wort "Foto" unterscheide. Über meiner Meinung steht deshalb immer nur das Wort Bild.


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    • Offizieller Beitrag

    Erst einmal hätte ich auch "Künstler" in dem Fall in Anführungszeichen gesetzt ;) Nein, Scherz beiseite.


    "Ein Fotograf bildet die Wirklichkeit ab und verändert diese, wenn er das Bild anders haben möchte, nicht das Bild selbst."

    Das eine Fotografie die Wirklichkeit abbildet ist schon eh eher eine philosophische Ansicht, würde Dir da sicherlich widersprechen ;) Eine Fotografie bildet nie die Realität ab sondern ist immer nur eine Interpretation des Fotografen von selbiger. Man kann es wohl am ehesten mit dem Realismus in der Literatur vergleichen ("[Poetischer] Realismus ist die künstlerische Wiedergabe (nicht das bloße Abschreiben) des Lebens."; Theodor Fontane, Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, 1853).



    Die Fotografie hat sich Anfangs sicherlich so verstanden und damit auch die Malerei ein Stück weit "befreit", aber auch die Fotografie war noch nie neutral sondern immer irgendwie wertend. Makroaufnahmen zeigen Dir etwas, das wir so nicht sehen können. Die Tiefenunschärfe macht Portraits erst interessant, UWW-Aufnahmen zeigen uns einen Ort in einer Gesamtheit, die wir so nicht wahrnehmen könnten. Eine 15 s Belichtung eines Wasserfalls oder eine 1/1000 s Aufnahme bei einem Boxkampf ("Schlag ins Gesicht") zeigen ebenfalls Dinge die wir so nicht wahrnehmen.


    Ich persönlich finde, dass leichte Veränderungen in der Nachbearbeitung, wie zum Beispiel Farbtöne oder Helligkeit das Bild immernoch ein Foto sein lassen, während Zusammenschnitte, die oft nichts mehr mit der Realität zu tun haben(wie das obige Beispiel) für mich keine Fotos mehr sind. Es ist ein Bild, was aus mehreren Fotos besteht. Quasi eine Collage. Denn in jedem einzelnen Teil (Wellen, Innenstadt) wird die Realität fotografisch widergespiegelt.

    Da stimme ich Dir so grob zu. Ich denke man muss einfach zwischen den grundlegenden Fähigkeiten eines RAW-Konverters unterscheiden, sprich die digitale Dunkelkammer. Farbe, Kontrast, abdunkeln einiger stellen durch Wedeln etc. - Das haben auch die großen schon vorher gemacht.



    Wenn aber ein Bild primär in Photoshop entstanden ist, würde ich es auch nicht mehr Foto nennen. Die Collage kommt dem schon recht nahe, aber ich würde es nicht direkt vergleichen wollen.

    Panasonic Lumix S5 II | Lumix S 18 mm f/1.8 | Sigma A 35 mm f/1.4 DG DN | Lumix S 50 mm f/1.8

    Sony Alpha 7R IV | Sigma A 14 mm f/1.4 DG DN | Sigma A 20 mm f/2 DG DN | Sigma A 105 mm f/2.8 DG DN Macro

  • Die Fotografie hat sich Anfangs sicherlich so verstanden und damit auch die Malerei ein Stück weit "befreit", aber auch die Fotografie war noch nie neutral sondern immer irgendwie wertend. Makroaufnahmen zeigen Dir etwas, das wir so nicht sehen können. Die Tiefenunschärfe macht Portraits erst interessant, UWW-Aufnahmen zeigen uns einen Ort in einer Gesamtheit, die wir so nicht wahrnehmen könnten. Eine 15 s Belichtung eines Wasserfalls oder eine 1/1000 s Aufnahme bei einem Boxkampf ("Schlag ins Gesicht") zeigen ebenfalls Dinge die wir so nicht wahrnehmen.

    Nicht alles was wir nicht sehen ist nicht Wirklichkeit! Alles oben genannte passiert schließlich. Tiefenunschärfe, Weitwinkel und Makro sind nur eine Veränderug des Blickwinkels. Und lange oder kurze Belichtungszeiten zeigen zwar etwas, was wir Menschen nicht direkt wahrnehmen können, was aber trotzdem Realität ist. Wenn ich also sage, dass Fotos die Wirklichkeit abbilden ist das wahr, denn selbst bei Lichtmalerei bildet man die Wirklichkeit ab. Denn diese Lichtquelle ist in der Zeitspanne mit einer bestimmten Leuchtstärke zu sehen gewesen.


    Um auf dein Zitat einzugehen könnte man sagen, dass man eben abschreibt, aber nicht die gleiche Schrift verwendet.


    Hier noch ein Beispiel dazu:
    Ich kann eine Blume als Makro fotogafieren. Ich dann die Einzelheiten der Blüte, sowie die auf ihr herumkrabbelnden Biene.
    Ich kann eine Blume in einen Ultraweitwinkel einbeziehen. Dann sehe ich einen Großteil der Blumenwiese und nichts mehr als einen Punkt von der Biene.


    Beide Male habe ich jedoch die Wirklichkeit abgebildet, oder?

    • Offizieller Beitrag

    Wir sollten einmal vorab klären, ob wir über den gleichen Punkt reden? Mir ging es um den Terminus "bildet die Wirklichkeit ab", Dir anscheinend um "Wirklichkeit".


    Über das Wort "Wirklichkeit" müssen wir nicht diskutieren. Hier ein nonfiktionales Ereignis oder viel mehr Objekt. Mir ging es aber eben primär um die Kombination aus 'Wirklichkeit' und 'Abbilden'. Eine Fotografie ist für mich eine (mehr oder weniger künstlerische) Interpretation der Wirklichkeit, aber kein Abbild. Der Reiz praktisch aller guten Fotografien liegt darin die Wirklichkeit so zu zeigen wie wir sie nicht wahrnehmen können.

  • Wenn ich sage, dass Fotografie ein Abbild der Wirklichkeit ist und du sagst, dass viele Fotografen die Wirklichkeit so zeigen wollen wie wir Menschen sie nicht wahrnehmen können reden wir von der gleichen Sache.


    Du sagst es nur etwas genauer wie die Wirklichkeit abgebildet wird(so, wie wir Menschen sie nicht wahrnehmen).
    Ich sage auch, dass die Wirklichkeit abgebildet wird, nur nicht wie sie abgebildet wird.
    Das habe ich versucht oben zu erklären.

  • Ich bin jetzt kein Experte, aber so denke ich darüber:


    Ihr vermischt die philosophische Ansicht mit dem rein physikalischen.


    Philosophie (Bild = Foto):
    Ein Foto oder Lichtbild (hier steckt auch das Wort Bild drin ;)) wird durch Photonen erzeugt, was darauf abgebildet ist, spielt keine Rolle. Wirklichkeit/Realität spielt also auch keine Rolle. Denn vorher müsste noch geklärt werden, was das genau ist und können wir überhaupt davon ausgehen, dass das was wir sehen überhaupt die Wirklichkeit ist? Hier kommt man als normaler Mensch schon an die Grenzen der Vorstellungskraft und jeder definiert es halt etwas anders. Die Wirklichkeit besteht nicht nur aus dem sichtbaren Wellenbereich (Schmetterlinge können zum Beispiel Farben sehen, für die wir noch nicht mal Namen haben und woher willst du wissen, ob ich das Rot genauso sehe wie du?).
    Das was auf dem Foto ist, sehe ich ja auch nur in meinem Kopf/Geist. Gleich dem, was aus der Fantasie eine Photoshoppers entspringt, beides existiert als Ganzes nur im Geist und kann nicht angefasst werden. Wir können nicht zwischen Fantasie und Realität aus philosophischer Sicht unterscheiden, also auch nicht zwischen Foto und Bild.


    Physik (Foto ≠ Bild):
    Durch Photonen, einem optischen System und einem lichtempfindlichem Medium wird eine Abbildung geschaffen. Der Fotograf ändert die Bildinformationen auf dem Film/Sensor durch die Kameraeinstellungen, das heißt bevor die Abbildung entsteht. Dadurch ist es eine reale Abbildung (er kann diese nur indirekt beeinflussen). Wenn man diese jedoch verändert ist es eigentlich keine Abbildung mehr, sondern ein Bild und entspringt aus dem Geist eines Menschen (er kann es direkt beeinflussen).
    Solange man nur Kontrast & Co verändert, handelt es sich um ein Foto, sobald weiteres verändert wird, ist es ein Bild.


    Ich hoffe ich konnte meine Meinung etwas veranschaulichen. :huh:

    Kamera s/w:
    Ihagee Exakta Varex IIa (blau beledert), Ihagee Exa Ia und IIb
    Objektive:
    Carl Zeiss: Flektogon 20mm f/4.0; Flektogon 35mm f/2.8; Tessar 50mm f/2.8
    Meier Optik Görlitz: 100mm, 135mm, 200mm ,300mm, 400mm und 500mm

    • Offizieller Beitrag

    Du sagst es nur etwas genauer wie die Wirklichkeit abgebildet wird(so, wie wir Menschen sie nicht wahrnehmen).

    Du liest einfach meine Kommentare nicht ;)


    Zitat

    Eine Fotografie ist für mich eine (mehr oder weniger künstlerische) Interpretation der Wirklichkeit, aber kein Abbild.

    Ich habe mich im letzten Post doch nun wirklich ausdrücklich davon distanziert, dass eine Fotografie die Wirklichkeit abbildet, sondern sie interpretiert (bewertet wiedergibt)...


    Hans Hubert: Guter Vergleich, auch wenn ich es witzig fand im ersten Satz beim Stichpunkt "Philosophie" auf Photonen zu treffen^^

  • Ich habe mich im letzten Post doch nun wirklich ausdrücklich davon distanziert, dass eine Fotografie die Wirklichkeit abbildet, sondern sie interpretiert (bewertet wiedergibt)...

    Aber wie wird sie interpretiert? Nach meinem Wissen doch hauptsächlich in Veränderung der Lichtsettings und anderen Techniken die den Eindruck verändern, aber immernoch das gleiche Motiv zeigen. Es also anders darstellen als wir es sehen würden heißt ja wohl nicht, dass es nicht mehr das gleiche Motiv ist.



    P.S. Wir schweifen wirklich immer weiter ab;)

    • Offizieller Beitrag

    Aber wie wird sie interpretiert?

    Durch setzen des Fokus, die Wahl der Schärfentiefe, Belichtungszeit, Brennweite, Perspektive (Standort), usw. Du musst keine extra Lichtquellen aufbauen um es zu interpretieren. Allein die Wahl eines Reportagefotografen in Kriegsgebieten, welches (z.B.) Kind er in welchem Augenblick mit welchem Hintergrund und wie stark hervorgehoben (freigestellt) abbildet ist doch schon eine starke Interpretation der "Wirklichkeit" oder "Realität" - selbst wenn wir das Kind gleich lassen und nur die anderen Parameter ändern.


    Ein "Problem" ist ja bereits, dass es "den Moment" nicht gibt. Das was wir "Zeit", "der Moment" oder "Jetzt" nennen sind am Ende ja auch nur eine Vereinfachungen um uns zu orientieren. Die Zeit ist unendlich hoch aufgelöst. Egal ob Du 1/8000 s oder 30 s lang belichtest, es ist immer ein Ablauf den Du festgehalten hast - nur eben kürzer oder länger.

  • Durch setzen des Fokus, die Wahl der Schärfentiefe, Belichtungszeit, Brennweite, Perspektive (Standort), usw. Du musst keine extra Lichtquellen aufbauen um es zu interpretieren. Allein die Wahl eines Reportagefotografen in Kriegsgebieten, welches (z.B.) Kind er in welchem Augenblick mit welchem Hintergrund und wie stark hervorgehoben (freigestellt) abbildet ist doch schon eine starke Interpretation der "Wirklichkeit" oder "Realität" - selbst wenn wir das Kind gleich lassen und nur die anderen Parameter ändern.

    Das meinte ich doch! Dass man eben, obwohl man die oben benannten Einstellungen ändert, immernoch das Kind mit dem gleichen Hintergrund auf dem Foto hat.
    Wenn man da z.B. ein riesiges Krümelmonster einfügen würde, hätte es nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun und wäre dementsprechend kein Foto mehr für mich. Nur noch ein Foto und ein Bild eines Krümelmonsters;)

    Ein "Problem" ist ja bereits, dass es "den Moment" nicht gibt. Das was wir "Zeit", "der Moment" oder "Jetzt" nennen sind am Ende ja auch nur eine Vereinfachungen um uns zu orientieren. Die Zeit ist unendlich hoch aufgelöst. Egal ob Du 1/8000 s oder 30 s lang belichtest, es ist immer ein Ablauf den Du festgehalten hast - nur eben kürzer oder länger.

    Du sprichst genau das aus was ich meinte. Egal wie lange man belichtet man bekommt immer etwas auf das Foto was in der Zeitspanne wirklich vor der Linse passiert ist. Folglich ist das, was ich als Realität bezeichne(Das, was vor der Linse passiert), auf dem Foto abgebildet, oder nicht?
    Bei Malerei kann man auch am See sitzen und etwas anderes als das malen, was man vor sich hat.

    • Offizieller Beitrag

    Das meinte ich doch! Dass man eben, obwohl man die oben benannten Einstellungen ändert, immernoch das Kind mit dem gleichen Hintergrund auf dem Foto hat.

    Ich glaube Du willst einfach nicht das Lesen was ich schreibe. Wie ich ja nun schon x-fach erklärt habe, Diskutiere ich mit Dir nicht über das Wort Wirklichkeit ;)
    Natürlich bleibt es immer das Kind, nur war deine Ursprungsaussage doch: "bildet die Wirklichkeit ab". Und die Wirklichkeit ist in dem Fall doch nicht zwingend primär das Kind sondern die Situation. Wenn ich es jetzt aus einem anderen Winkel aufnehme, vielleicht zu einem minimal anderen Zeitpunkt, die Schärfe woanders hingesetzt etc., dann ist das meine Interpretation der Wirklichkeit. Ich habe die Wirklichkeit bewertet und gebe sie dem Betrachter so wieder. Das meine ich mit interpretieren. Du fokussierst dich weiterhin auf den Punkt "Wirklichkeit", über den ich hier nicht diskutiere ;)

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  • Du hast recht. Dieser Thread, beziehungsweise die Comments in ihm, machen wenig Sinn in einem Forum, wenn es nicht gerade ein Philosophie-Forum ist. Ohne den Punkt Wirklichkeit geklärt zu haben ergibt das Thema sowieso keinen Sinn und an der Wirklichkeit beißen sich schon seit ein paar tausend Jahren Menschen die Zähne aus.
    Theoretisch könnte man den Thread auch löschen.

  • Also ich finde den Thread ganz interessant :)


    Ich denke man kann die Aussage von Matze auch ganz gut an optischen Täuschungen darstellen:
    Hidden-Shaker.jpg
    Je nach dem von wo man fotografiert, interpretiert der Fotograf das Objekt als normalen Stuhl oder als schiefen Stuhl. Beides ist für uns immer noch real.

    Kamera s/w:
    Ihagee Exakta Varex IIa (blau beledert), Ihagee Exa Ia und IIb
    Objektive:
    Carl Zeiss: Flektogon 20mm f/4.0; Flektogon 35mm f/2.8; Tessar 50mm f/2.8
    Meier Optik Görlitz: 100mm, 135mm, 200mm ,300mm, 400mm und 500mm

  • Je nach dem von wo man fotografiert, interpretiert der Fotograf das Objekt als normalen Stuhl oder als schiefen Stuhl. Beides ist für uns immer noch real.


    Genau das was ich meinte. Egal von wo man den Stuhl aufnimmt, bleibt es ein Foto wenn es real auch so wirkt. Wenn man dort jetzt einen Menschen einfügen würde, der darauf sitzt, wäre es kein Foto mehr, weil zu dem Zeitpunkt, an dem das Foto geschossen wurde kein Mensch auf dem Stuhl saß und das deswegen nicht real ist.