DSLR Videoqualität mit externem HDMI-Rekorder steigern

  • Hallo Videografen,



    eins kurz vor ab. Dieses Thema wird extrem technischer Natur sein.
    Komme ich nun zum eigentlich Thema. Hätte man vor Beispielsweise eine Dslr wie eine Canon 5d Mark III bezüglich Dynamikumfang zu verbessern im Videomodus, empfiehlt sich es ja mit 10 Bit und 4:2:2 über einen HDMI-Rekorder aufzunehmen. Nun stelle ich eine kritische Frage. Bekommt man auch tatsächlich mehr Dynamikumfang im aufgenommen Video heraus oder erst beim Grading? Sind wir mal ehrlich. Der Dynamikumpfang von Dslrs von Canon, Nikon, Sony, Pentax und wie sie alle heißen ist nicht gerade Bombe. Klar ein Fotoapparat muss nicht gleich so gut Filmen wie ein Broadcast-Camcorder doch technisch könnte es vielleicht funktionieren? Oder nicht? Liegt es an dem Auslesen des Sensors oder am Codec/ Bitrate? Wenn jemand schon Erfahrung mit einem HDMI-Rekorder und einer Dslr gemacht hat berichte bitte davon. Sonst können wir nur spekulieren ob das Videobild wirklich besser wird.

    Einmal editiert, zuletzt von fotochris ()


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  • Hi Chris!


    Das ist natürlich ein recht kontroverses Thema, und ich hoffe mal hier niemandem auf die Füße zu treten. Und vorneweg: Ich denke, externe Rekorder sind überbewertet. :)


    Zur technischen Seite: Der dynamische Kontrast eines Bildes bei einer DSLR hängt an 4 Faktoren:

    • Wie viel Dynamikumfang nimmt der Sensor auf / wie wird er ausgelesen?
      Der Dynamikumfang heutiger DSLR-Sensoren ist sicherlich nicht brilliant, aber er ist im Vergleich auch nicht so schlecht wie einen die Leute glauben lassen. Der große Vorteil von Broadcast-Kameras ist da im Wesentlichen noch, dass sie häufig 3 Chips statt nur einen haben für die 3 Farben, dadurch kriegen sie einen besseren Dynamikumfang hin, die Chips selber sind nicht mehr wirklich unterschiedlich.
    • Wie werden diese Rohdaten zu einem Video-Frame verarbeitet?
      Die Art, wie die Rohdaten hinterher zu einem Bild verarbeitet werden, wird hauptsächlich durch das in der Kamera verwendete Farbprofil bestimmt. Das entspricht in der Parallele zur Fotografie der RAW-Entwicklung hinterher und dem verwendeten "Preset". DSLRs kann man hier z.B. häufig ein flacheres Cinestyle-Profil beibringen, manchmal haben Kameras schon ein flaches Profil eingebaut (z.B. Sony S-Log). Hierbei werden die enthaltenen dynamischen Informationen weniger gleichmäßig über die schwarz-weiß-Skala verteilt, sondern die Werte in der Mitte rücken etwas enger zusammen, dafür sind in sehr hellen und sehr dunklen Bereichen mehr Abstufungen da. Das hilft, den Dynamikumfang größer wirken zu lassen, weil bei entsprechend schlauem Grading mehr Details in hellen und dunklen Bereichen erhalten bleiben, kann aber natürlich keine Wunder vollbringen.
    • In wie viel digitale Unterteilungen wird die Dynamik hinterher konvertiert?
      Das ist die Bit-Angabe der anschließenden Aufzeichnung. 8 Bit (intern bei den meisten DSLRs) entspricht 2^8 = 256 Werte pro Farbe pro Pixel, 10 Bit entspricht 2^10 = 1024 Werte. Hier sieht man tatsächlich einen Unterschied, wenn sich etwa Details in einem sehr hellen oder sehr dunklen Bereich des Bilder nur wenig unterscheiden. Dann ist bei 8 Bit kein Unterschied mehr zu sehen, bei 10 Bit manchmal schon. Man muss aber bedenken: Ausgeliefert werden die Videos nachher in 8 Bit, und über die BluRay-Qualität beschweren sich die Leute meistens nicht. Wenn man das Bild also schon vor der Digitalisierung möglichst gut aufsetzt, z.B. durch ordentliches Ausleuchten und ein flaches Farbprofil, dann ist der Unterschied nicht so relevant wie er zuerst wirkt. Außerdem: 10 Bit verbessern nicht den Dynamikumfang (also den Unterschied zwischen ganz schwarz und ganz weiß), sondern nur wie genau das dazwischen liegende gespeichert werden kann.
    • Mit welcher Methode wird das digitale Bild anschließend komprimiert?
      Videokompression ist verlustbehaftet, und ein wichtiger Teil der Codecs beruht darauf, gleiche oder ähnliche Pixel die nebeneinander liegen zu einer einzigen gemeinsamen Farbe zusammenzufassen. Das kann natürlich die Detailauflösung in sehr hellen oder dunklen Bereichen ruinieren. Der Dynamikumfang wird dadurch an sich nicht beeinflusst, wohl aber die Videoqualität und damit auch ein bisschen der "gefühlte Dynamikumfang".

    Ein externer Rekorder kann und wird nur jemals auf die letzten beiden Punkte Einfluss haben. Den Chip kann er nicht verändern, und die Verarbeitung auch nicht (es sei denn, in der Kamera selber wird RAW-DNG oder sowas aufgenommen, aber das können DSLRs alle nicht wirklich). Die letzten beiden Punkte sind aber die, mit denen man den Dynamikumfang selber, also den Unterschied zwischen ganz schwarz und ganz weiß im Video-Frame, gar nicht mehr verbessern kann, sondern nur noch wie gut das resultierende Bild hinterher digital gespeichert werden kann. Das ist ein Fakt, den man so erstmal schlucken muss. :)


    Ich selber habe ein Mal einen Tag lang mit einem externen Rekorder rumgespielt (dem Atomos Shogun), zugegeben ohne ernsthaft zu überlegen für viel Geld einen zu kaufen, ich hoffe dass das meine Einschätzung damals nicht beeinflusst hat. Ich hab auch wirklich Unterschiede gesehen, wenn ich es darauf angelegt hab, vor allem bei schnell und chaotisch bewegten Aufnahmen (z.B. sprudelndes Wasser oder wehende Blätter im Baum) oder wenn ich sehr dunkle Szenen aufgenommen hab in den Farbabstufungen. Am Dynamikumfang hab ich nicht wirklich einen Unterschied gesehen, einfach in die Landschaft gefilmt war trotzdem schnell mal der Himmel überbelichtet und die Schatten nur noch schwarz. Einen viel (jawohl, viel) größeren Unterschied bei der gefühlten Dynamik hab ich gesehen zwischen einem normalen und einem flachen Farbprofil. Da kann man gerade was Details in dunklen oder hellen Bereichen angeht nochmal deutlich mehr rausholen, aber das ist praktisch unabhängig davon gewesen, ob ich mir die In-Camera-Dateien oder die vom externen Rekorder angeschaut hab.


    Was mich dann letztendlich vollends vom Rekorder abgebracht hat, war folgende Überlegung: Die Situation, in der ich einen externen HDMI-Rekorder verwenden würde, wäre für einen aufwendig produzierten (Kurz-)Film. Für spontane Aufnahmen, für unterwegs, für Run-and-gun shooting und so weiter ist sowas wirklich ungeeignet, weil es nicht nur während des Drehens sondern vor allem auch in der Nachbearbeitung deutlich aufwendiger ist. Genau das (aufwendiges Filmset) ist aber die Situation, wo man durch cleveres Ausleuchten und die eine oder andere Styroporplatte als Reflektor einen sehr viel größeren scheinbaren Dynamikumfang und eine sehr viel bessere Bildqualität erreichen kann. Dafür braucht man keinen externen Rekorder, sondern nur einen erfahrenen oder geduldigen Ausleuchter. Das ist die eine wahre Lösung, den geringen Dynamikumfang von DSLRs zu verstecken: Licht! :) Im Übrigen: Soooo viel schlechter als bei Film und vor allem professionellen Digitalkameras wie der Arri Alexa ist der Dynamikumfang von DSLRs nicht! Auch bei denen sind einfach nur sehr clevere und gut bezahlte Lichttechniker am Werk, die das Bild schön und gleichmäßig aussehen lassen, bevor es überhaupt jemals auf den Chip trifft...


    Das sind meine 2 Cent zum Thema, die jetzt doch recht lang geworden sind. Deshalb:


    TL;DR Mit 10 Bit und besserer Kompression wirst Du niemals den echten Dynamikumfang der Kamera verbessern können, den gefühlten Umfang womöglich schon ein kleines bisschen. Deutlich wirksamer sind ein flaches Farbprofil und vor allem eine saubere und gründliche Ausleuchtung (Nebel/Haze hilft!).

  • Hi Floh,


    erst mal vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort. Das ist nicht selbstverständlich so gut und verständlich für mich und alle anderen Valuetech-User zu antworten. :thumbup: Das Thema ist auch viel zu Komplex um in drei Sätzen eine Antwort zu finden. ;)
    Das habe ich mir schon gedacht, dass ein Rekorder überbewertet wird in dieser Kombination. Im Prinzip erhalte ich ein sauberes Bild (kaum Artefakte) und einen guten Codec zum Schneiden. Der Dynamikumfang wird der Gleiche sein wie ohne Rekorder. Somit gibt es für mich keinen Kaufgrund 600-750 € für einen Rekorder mit Zubehör zu investieren.


    Thema Lichtsetzung beim Videodreh. Da sagst Du was ganz wichtiges. Die richtige Lichtsetzung ist bei weitem wichtiger für ein gutes Bild als irgendein Rekorder. Der bügelt auch keine Fehler mehr aus. Vorausgesetzt man dreht in Innenräumen und hat passende Scheinwerfer am Start. In meinem Fall hätte ich Natur & Stadtaufnahmen machen wollen. Das ich da einen größeren Dynamikumfang mir wünsche sollte verständlich sein.


    Zum Thema Kompression will ich noch eine kleine Ergänzung erwähnen. In der Postproduktion ist die Kompression nicht zwangsläufig Verlustbehaftet. Als Beispiel ist hier das DCI (Digital Cinema Initiatives) Verfahren zu nennen.
    Außerdem meintest du sicherlich Bildprofil anstatt Farbprofil. Das Farbprofil beim Filmen ist REC 709. Das Bildprofil ist C-Log, V-Log oder S-Log. Die sind für den Coloristen wichtig. Meine Nikon d7200 hat auch die Möglichkeit so ein Profil aufzunehmen. Da werde ich mal Testfootage aufnehmen und es mit meinem Composingprogramm graden. Vielleicht bringt es ja doch was. Ich werde es ja bald sehen was das bringt.
    Das Problem an solchen Farbprofilen ist der Größe Postproduktionsaufwand. Das Bild aus der Kamera sieht dann doch zu bescheiden aus.

  • @floh hat das mal wieder ausgezeichnet erklärt ;) Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

    Sony Alpha 7S II
    Sony Alpha 7R II
    Objektive (Sigma Art + Canon L) + Objektivadapter (EF to E)
    2 Manfrotto Stative + 1 Vanguard Alta Pro
    mehrere Licht- und Mikrofonstative

  • @fotochris Hehe, nur so als Zusatz: Wenn Du findest, dass Color Grading von neutralen Bildprofilen "größerer Produktionsaufwand" ist, dann solltest Du niemals in Richtung RAW-, DCI- oder Aufnahmen mit externem Rekorder schielen! ;) Du machst Dir keine Vorstellungen, wie furchtbar aufwendig der Workflow plötzlich wird, schon allein wegen den Dateigrößen...


    Wie dem auch sei: Es gibt ziemlich viele Ein-Klick-Profile, um z.B. das weit verbreitete Cinestyle-Profil in etwas normaler aussehendes umzuwandeln. Oft sind das LUTs, manchmal aber auch wirklich nur Farbkorrektur-Presets. Das ist normalerweise ein ziemlich guter Anfang, mit dem Vorteil dass Du eben bei Bedarf wieder ein bisschen zurückdrehen kannst und Details aus den Schatten oder Lichtern zurückholen. Die sind zum Teil kostenlos oder sehr günstig, und werden sicherlich ein bisschen den Schrecken vor der aufwendigen Postproduktion relativieren.

  • Das ich genau in diese Richtung Schiele hast du richtig erkannt. Aber wie gesagt der Rekorder würde mich nicht überzeugen, wenn ich keinen Nennenswerten Dynamikumfang erhalte. Außerdem komme ich selbst mit meinem 32 GB Ram nicht sonderlich weit in der Postproduktion. Um wirklich vernünftig mit solchen 4:4:4 Dng Material arbeiten zu wollen, sollte man schon 5 stellige Workstation zu Verfügung haben.
    Für alle die auf 4K Schwören sage ich nur schneidet mal Footage von der RED Epic. :P Das dies geht im Jahr 2016 ist keine Frage doch für ein Mainbroad mit 16.000 € Listenpreis sicherlich kein Schnäppchen. In der Fachzeitschrift habe ich gelesen, dass „Bad Robot“ selbst nicht so einen teuren Schnittplatz hat. Das mag schon was heißen. Der aufmerksame Kinozuschauer sollte jetzt langsam ahnen welchen Film er oder Sie nur in FullHD gesehen hat. Na welcher Film war es? Ich sage nur es war so ein Erwachen gewesen. Mitte Dezember hat jeder darüber geredet.....


    Als Fazit bleibt nur zu sagen, manche Technik sollte man nicht überschätzen. Am Ende sieht man die 0,5 Prozent eh nicht. ;)

  • Du hast es erfasst, schönes Schlusswort. Ein Film entsteht durch die Geschichte, das schöne Aussehen entsteht durch die Sets, Beleuchtung und Kameraführung. Das bisschen Auflösung oder Dynamik fällt da nicht ins Gewicht.


    Warum ich aber nochmal schreibe: Mein Rechner ist vermutlich nochmal deutlich schwächer auf der Brust als Deiner, besonders die GPU... als ich mal 4K-Material schneiden musste, habe ich das ausschließlich mit Proxies gemacht. Für den finalen Grade und den Export dann natürlich schon in voller Auflösung, aber da braucht man ja kein flüssiges Playback mehr. Das kann heute jedes Schnittprogramm, und gerade bei Red RAW ist das empfehlenswert, egal wie viel Wumms Dein Rechner hat. Wenn es um Timing und Schnitt geht, nimm "optimierte Medien"...

  • Matze

    Hat das Label Monitor / Recorder hinzugefügt.