Egal ob G7/G8-Gipfeltreffen oder Weltklimakonferenz: Umweltschutz, Nachhaltigkeit und alle möglichen Wortkombinationen mit Grün im Namen sind in aller Munde. Wenn die politischen Größen dieses Planeten schon keine verbindlichen Ziele vereinbaren wollen, dann sollten wir, die restlichen 99,9999 Prozent, den Anfang machen.
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Wir haben uns, wie könnte es anders sein, dem Thema Green-IT verschrieben. Neben vielen kleinen (Beleuchtung, Strom für unseren Webserver) und einigen großen CO2-Schleudern (Dienstreisen) steht 2016 auch der Arbeits-PC auf dem „Öko-Prüfstand“. Die eh seit längerem geplante Aufrüstung soll so, neben deutlich mehr Leistung (4K-Videoschnitt), zugleich auch weniger Strom verbrauchen. Zielstellung dieses „Bastelprojekts“ war also nicht weniger als eine der derzeit energieeffizientesten Workstations zu konzipieren, die auch abseits von Laborbedingungen gute Resultate abliefert.
Die Komponenten im Überblick
An dieser Stelle wollen wir unseren Partnern für die Bereitstellung der folgenden Komponenten danken, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.
Mainboard – [[ASIN:B018XOS1ZA|MSI B150M Eco]]: Häufig setzen viele Optimierungs-Leitfäden erst beim Prozessor an, vernachlässigen jedoch die Hauptplatine. Dabei sind letztere oft keine Stromsparwunder. Nach ersten guten Erfahrungen mit MSIs ECO-Serie im Low-Performance-Bereich fällt die Wahl auch bei unserer Workstation auf die „grünen Mainboards“.
Zwar bieten weder der Chipsatz noch die Umsetzung von MSI besondere Ausstattungsmerkmale, für einen Großteil aller Nutzer sollten die vorhandenen Schnittstellen und Steckplätze jedoch problemlos ausreichen.
Großer Vorteil: Sowohl via UEFI als auch via Software (MSI Eco Center Pro) lassen sich diverse Module vom Mainboard abschalten und dadurch das ein oder andere Watt sparen. Die Lüftersteuerung erlaubt zudem das Abschalten von Lüftern unter bestimmten Grenzwerten. Kurzum: Unsere Workstation ist im normalen Desktop-Betrieb komplett lautlos.
Prozessor – [[ASIN:B010T6DQTQ|Intel Core i7-6700K]]: Zwar ist die gewählte CPU unter Last alles andere als ein Stromsparer, doch nützt der sparsamste PC der Welt nichts, wenn die Leistung unzureichend für die alltäglichen Arbeiten ist. Immerhin: Intel hat bei der Skylake-Architektur die Effizienz weiter steigern können und mit aktivierten Stromsparfunktionen unterscheidet sich die Leistungsaufnahme im Idle-Betrieb nur marginal von sparsameren Modellen.
Noch deutlich mehr Effizienz verspricht Intels T-Serie, Anwender mit homhem Leistungsanspruch sollten z.B. den [[ASIN:B015XEWPDC|Intel Core i7-6700T]] in Betracht ziehen. Die Leistung fällt, je nach Anwendung, um bis zu 25 Prozent geringer aus, der Verbrauch unter Last jedoch auch noch einmal zum Teil massiv.
Grafikkarte – [[ASIN:B00NOP536Y|MSI GTX 970 Gaming 4G]]: Nvidias Maxwell-2.0-Architektur zählt zu den derzeit effizientesten im Grafikkartenmarkt. Der Verbrauch ist insbesondere im Idle-Betrieb sehr gering, andererseits stehen genug Leistungsreserven für Grafik- wie Videoschnittsoftware oder natürlich auch das ein oder andere Spiel bereit.
Auch die Lüfter der MSI GTX 970 Gaming 4G schalten sich im Desktop-Betrieb automatisch ab. Unser 100-Prozent-Passivdesign bei wenig Last greift also auch hier.
Arbeitsspeicher – [[ASIN:B00MMLUYQK|2x 8 GB Crucial DDR4-2133]]: Aufgrund der nicht mehr vorhandenen Mehrkosten kann mittlerweile problemlos auf DDR4- anstelle von DDR3-RAM gesetzt werden. Die höhere Energieeffizienz ist neben der Zukunftssicherheit einer der Hauptgründe.
SSD – [[ASIN:B00RQA6E20|Crucial MX200 500 GB]]: Ohne SSD geht im Jahr 2016 nichts mehr. Neben der deutlich gesteigerten Leistung, insbesondere in alltäglichen Situationen wie dem PC- und Anwendungsstart, steht auch hier das Thema Energieeffizienz auf dem Plan. Verglichen mit herkömmlichen Festplatten fällt vor allem der Idle-Verbrauch deutlich geringer aus.
Netzteil – [[ASIN:B009VV56TO|Seasonic Platinum Fanless 520 Watt]]: Gewissermaßen das Herz jedes PCs. Vor knapp einem Jahrzehnt höchstens ein Thema für PC- oder Elektronik-Enthusiasten, haben Initiativen wie 80 PLUS das Bewusstsein bei vielen Nutzern geschärft.
Seasonics Nomenklatur war schon immer funktional: 80 PLUS Platinum-Zertifizierung (mind. 94 % Wirkungsgrad bei 50 % Last), die Wattklasse und auch das lüfterlose Design lassen sich ablesen. Darüber hinaus setzt Seasonic auf ein vollmodulares Kabelmanagement: Es liegen also nur so viel Stromkabel im PC, wie wirklich benötigt.
Benötigt wird indes nicht einmal ansatzweise die gesamte Leistung, bei Nachbauten kann getrost zur 400-Watt-Version gegriffen werden. Selbst diese bietet noch mehr als genug Luft nach oben und dürfte den Verbrauch im unteren Lastbereich minimal senken.
Gehäuse – [[ASIN:B00Q2Z1952|Fractal Design Define R5]]: Ein möglichst sparsamer PC lässt sich ideal mit dem Ziel „Leisetreter“ kombinieren, bedeutet eine geringe Leistungsaufnahme doch zugleich auch wenig Abwärme die (lautstark) abgeführt werden muss. Fractal setzt beim beliebten Define R5 auf viele Dämmmatten im Gehäuse sowie ab Werk leise Gehäuselüfter.
Dazu kommen diverse Komfortfunktionen: Kabelmanagement hinter dem Mainboard, eine Aussparung im Mainboard-Schlitten zum schnellen Zugriff auf die Kühler-Backplate, herausziehbare HDD-Schlitten, SSD-Montage „versteckt“ hinter dem Mainboard und eine Netzteil-Montage am Gehäuseboden. So bekommt das Netzteil deutlich weniger heiße Ablauft der anderen Komponenten ab und kann so effizienter arbeiten.
Testumfeld
Das Sparpotential hängt natürlich maßgeblich vom Umfeld und der vorherigen Konfiguration ab. In unserem Fall bestand das alte System aus folgenden Komponenten:
- Mainboard: Gigabyte GA-990XA-UD3
- Prozessor: AMD FX-8150 (8x 4 GHz)
- Grafikkarte: MSI GTX 970 Gaming 4G
- Arbeitsspeicher: 4x 4 GB G.Skill DDR3-1866
- SSD: SanDisk Extreme II 480 GB
- HDD: Western Digital Blue 1 TB WD10EZEX
- Netzteil: Seasonic Platinum Fanless 520 Watt
- CPU-Kühler: Antec Kühler H2O 920
- Gehäuse: Antec Performance One P182
- Betriebssystem: Windows 7 x64
Grafikkarte, Festplatte und Netzteil wurden in den neuen PC übernommen, sorgen also nicht für eine höhere Effizienz. Als Betriebssystem kommt beim neuen PC natürlich das aktuelle Windows 10 zum Einsatz, welches in Kombination mit Intels neuen Skylake-Prozessoren weitere Energiesparfunktionen ermöglicht (Intel Speed Shift).
Angeschlossen sind am PC insgesamt drei Monitore (2x EIZO EV2333WH-BK, 1 A/V-Receiver + Fernseher). Erwähnenswert ist dies, da der Mehrverbrauch von drei gegenüber einem angeschlossenen Monitor schnell die Marke von 30 bis 60 Watt erreichen kann. Grund hierfür sind nicht mehr greifende Stromsparfunktionen der Grafikkarte.
Das alte System kam unter anderem dadurch auf einen Leerlauf-Verbrauch von 160 bis 180 Watt. Leerlauf/Idle heißt in unserem Fall: Ein Web-Browser mit mindestens 10 offenen Tabs, im Hintergrund aktive Messenger (Skype), E-Mail-Clients (Outlook) und Virenscanner (F-Secure) sowie die Wiedergabe von Musik (Windows Mediaplayer, Winamp o.ä.). Auch Word, Excel oder Powerpoint gesellen sich natürlich im Arbeitsalltag dazu.
Einsparpotential und Leistung
Zur Messung des tatsächlichen Verbrauchs haben wir über viele Wochen den Voltcraft Energy Logger 4000 mitlaufen lassen. Das Einsparpotential hat dabei unsere Erwartungen noch übertroffen, blieben mit der Grafikkarte und dem Netzteil doch zwei wichtige Verbraucher konstant:
- Leerlauf/Idle: 171,2 Watt => 48,7 Watt (-71 Prozent)
- Video-Encoding: 249,7 Watt => 108,0 Watt (-57 Prozent)
- Gaming: 332 Watt => 247 Watt (-26 Prozent)
Natürlich gehört zur Energieeffizienz, neben dem Verbrauch, auch die Leistung. Wir haben dementsprechend ein typisches 4K-Video (ca. 5 Minuten; Video auf YouTube) mittels x264 komprimiert, den exakten Verbrauch sowie benötigte Zeit gemessen und schlussendlich so die durchschnittliche Energiemenge errechnen können, die zur Komprimierung eines einzelnen Bildes (Frame) benötigt wird:
Mit 7,26 mWh/Frame erreicht der neue PC eine um Faktor 3,6 höhere Energieeffizienz als sein Vorgänger (26,38 mWh/Frame)! Neben dem geringeren Verbrauch der Hardware spielen hier natürlich auch modernere Befehlssatzerweiterungen (AVX2 etc.) eine Rolle, von der Kompressionsprogramme wie x264 reichlich Gebrauch machen.
Das genaue Einsparpotential wird sich erst nach mehreren Monaten Nutzung herausstellen, insbesondere der massiv gesenkte Idle-Verbrauch sowie die höhere Effizienz bei Multimedia-Anwendungen werden nach ersten Schätzungen jedoch für Einsparungen im Bereich von 290-330 kWh pro Jahr sorgen. Grundlage hierfür sind in unserem Fall ca. 300 Tage Nutzung zu je 8 Stunden. Daraus ergeben sich, bei üblichen Stromkosten (27 ct/kWh) und Stromzusammensetzungen (508 g CO2/kWh), Einsparungen von etwa 90 Euro sowie 160 Kilogramm CO2 pro Jahr.
Auch die Lautstärke soll natürlich noch ihre Erwähnung finden: Alle Komponenten arbeiten im Desktop-Betrieb passiv. Lüfter der CPU- und GPU-Kühler stehen genauso still wie alle Gehäuselüfter. Erst unter Last drehen die Lüfter langsam an. Dank Lüftersteuerung und dem gedämmten Gehäuse ist jedoch ein absolut stilles Zimmer und maximale Rechenlast von Nöten, um ein leicht wahrnehmbares Summen der Lüfter zu vernehmen.
Interessante Erkenntnisse
An dieser Stelle wollen wir den Kollegen von Hardwareluxx für ihren sehr umfangreichen Artikel zu Optimierungsmöglichkeiten der aktuellen Skylake-Prozessoren danken. Über die in ihrem Artikel aufgezeigten Möglichkeiten hinaus konnten wir für den „Spezialfall“ mit mehreren Bildschirmen noch eine interessante Alternative herausarbeiten:
Bei der Verwendung von drei Monitoren an der MSI GTX 970 Gaming 4G lag die Leistungsaufnahme im Idle noch bei 69,6 Watt (21 Watt über der finalen Konfiguration). Unsere Lösung bestand darin, einen Monitor über die integrierte Prozessorgrafik vom Intel Core i7-6700K ansteuern zu lassen. Die Grafikkarte kann dadurch in einen tieferen Stromsparmodus gehen und sorgt für die noch einmal deutlich gesenkte Leistungsaufnahme.
Fazit: Ein flotter Arbeits-PC kann sowohl leise als auch sparsam sein – und das ohne die Kosten explodieren zu lassen. Der Preis der Konfiguration liegt aktuell bei etwa 1.200 Euro (Stand: 03.02.2016; Variante: Intel Core i7-6700, Seasonic Platinum Fanless 400W), ist jedoch auch beliebig nach unten skalierbar. Ein reiner Multimedia/Office-PC ohne dedizierte Grafikkarte und mit einem [[ASIN:B0164TZ9LA|Intel Pentium G4500]] bestückt, ließe sich beispielsweise für 600 Euro realisieren.