Gut 16 Jahre gingen ins Land, bis Canon eine neue Version des berühmt-berüchtigten EF 100-400mm f/4.5-5.6L IS USM vorstellte: Im November vergangenen Jahres stellte man die verbesserte IS II-Version der Öffentlichkeit vor, bereits im Dezember ging es dann schon planmäßig in den Handel. Wir hatten nun auch die Chance einen Blick auf Canons neuen Tele-Zoom-Spross zu werfen.
Design und Verarbeitung
Die erste Generation zeichnete sich vor allem durch ein Element aus, welches wohl genauso viele Freunde wie auch Feinde hatte: Ein Schiebe-Zoom. Beim Nachfolger setzt Canon wieder auf einen klassischen Dreh-Zoom - die Meinungen darüber dürften demzufolge zwischen "Zum Glück!" und "Warum?!" schwanken. Als Besonderheit ermöglicht man es nun den Widerstand des Zoom-Rings stufenlos einzustellen. Von SMOOTH (lose) bis zu TIGHT (fest) lässt sich der Ring zwischen Zoom und Fokus verschieben, in der leichtesten Einstellung ist nahezu kein Widerstand zu spüren, die festeste Einstellung hingegen kann auch als Transportsicherung angesehen werden und ist, unserer Meinung nach, für den normalen Gebrauch bereits zu schwergängig.
Die Verarbeitung ist auf gewohntem Canon-L-Niveau und wird dem Preis von knapp 2.000 Euro definitiv gerecht. Das Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS II USM ist, im Gegensatz zum Vorgänger, nun auch gegen Staub- und Spritzwasser geschützt - dafür hat man 260 g an Gewicht zugelegt und kommt so auf ein Gesamtgewicht von 1.640 g. Für ein Vollformat-taugliches Tele-Zoom-Objektiv mit Bildstabilisator und der guten Lichtstärke liegt man aber weiterhin in Bereichen, die als "kompakt" bezeichnet werden können. Auch die Länge von 193 mm (bei 100 mm Brennweite) fällt in diese Kategorie.
Autofokus (USM) und Bildstabilisator (IS)
Der USM-Autofokus arbeitet im Test flott und praktisch lautlos. Selbst bei einem "Suchlauf" von der Naheinstellgrenze (98 cm; max. Abbildungsmaßstab 1:3,2 bei f = 400 mm) bis ins Unendliche vergeht bei guten Lichtbedingungen selten mehr als eine halbe Sekunde. Kombiniert mit einem guten Autofokussystem (Anm.: getestet wurde mit der Canon EOS 5D Mark III) neigt das Objektiv auch nicht zum "Hin-und-her-springen" bei schwierigen Lichtbedingungen.
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Der optische Bildstabilisator (IS) lässt sich beim Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS II USM gleich in drei Modi einstellen:
- Modus 1 stabilisiert, wie gewohnt in horizontaler und vertikaler Richtung.
- Modus 2 eignet sich für Mitzieher-Aufnahmen und stabilisiert nur in der Richtung, in die die Kamera nicht bewusst bewegt wird (bei horizontalen Mitzieher-Aufnahmen also z.B. nur in der vertikalen Achse).
- Modus 3 entspricht grundlegend Modus 2, stabilisiert jedoch nur während der Aufnahme selbst und nicht beim Blick durch den Sucher. Die Stabilisierung wird damit etwas effektiver und auch der Stromverbrauch sinkt etwas.
Egal in welchem Modus man den Bildstabilisator auch betreibt: Sinnvoll ist der Einsatz praktisch immer dann, wenn kein Stativ zur Verfügung steht. Wir konnten bei 400 mm Brennweite mit aktiviertem Stabilisator auch bei 1/50 bis 1/100 s noch scharfe Aufnahmen erzielen.
Bildqualität
Die Bildschärfe war bereits beim Vorgänger auf hohem Niveau, Canon konnte aber noch einmal etwas nachlegen und insbesondere den Mikrokontrast anheben. Wer z.B. gerne Vögel ablichtet wird sich über gestochen scharfes Gefieder freuen und auch ohne Sorgen noch Ausschnitte verwenden können. Wie beim Vorgänger konnten wir auch beim Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS II USM keinen merklichen Schärfeabfall am unteren oder oberen Ende des Brennweitenbereiches feststellen.
Das Bokeh, die "Schönheit des Hintergrunds" ist bei Tele-Zoom-Objektiven gerne mal ein Problem und auch Canon hat hierfür noch kein Patentrezept gefunden. Wenn der Hintergrund weit genug entfernt und das Objektiv nah an der Naheinstellgrenze betrieben wird, verschwimmt der Hintergrund zu einem schön weichen Farbverlauf. Wer jedoch beispielsweise Objekte in 3-7 Metern Entfernung anfokussiert und in 15-30 Metern Entfernung Äste als Hintergrund hat (siehe Bild weiter unten) hat weiterhin mit einem etwas unruhigen Hintergrund zu kämpfen.
Die Chromatische Aberration (Farbquer- und längsfehler) hat Canon abermals sehr gut in den Griff bekommen: Selbst in der 100-Prozent-Ansicht sind, bei maximaler Lichtstärke, fast keinerlei Farbsäume an harten Kontrastkanten im Bild erkennbar - Korrekturen im RAW-Konverter sind dementsprechend nicht zwingend notwendig.
Die Vignettierung (Randabschattung) ist vor allem im Tele-Bereich ein Problem. Wer das Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS II USM an DSLR-Kameras mit APS-C-Sensor nutzen will, hat praktisch keinerlei Probleme - am Vollformat werden die Ränder jedoch merklich dunkler. Abblenden um etwa eine Blendenstufe (f/8 im Falle von 400 mm) wirkt hier bereits wunder und reduziert die Vignettierung auf ein kaum noch wahrnehmbares Maß.
Fazit und Empfehlung
16 Jahre für einen Nachfolger sind im Objektiv-Markt nicht ungewöhnlich, umso erfreulicher dass Canon die Zeit auch sinnvoll genutzt und an vielen Stellen Verbesserungen vorgenommen hat. Das Design vom [[ASIN:B00PGNMXQA|Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS II USM]] ist weiterhin kompakt, die Bildqualität hervorragend und auch die Verarbeitung über jeden Zweifel erhaben. Einen handfesten Kritikpunkt konnten wir nicht ausmachen.
Einzig und allein der Preis liegt mit 2.199 merklich über dem des Vorgängers: Knapp 1.300 Euro und damit fast 1.000 Euro weniger müssen Interessenten für das [[ASIN:B00005QF6O|Canon EF 100-400 mm f/4.5-5.6L IS USM]] auf den Tisch legen. Angesichts der bereits guten, wenn auch nicht sehr guten, Leistung hat Canon damit wohl hausintern den härtesten Konkurrenten.