3.000 Euro für eine spiegellose Systemkamera mit MFT-Bildsensor, also einem Crop-Faktor von 2,0? Die Preisgestaltung der neuen Olympus OM-D E-M1X wird in der Fotografen-Gemeinschaft mindestens so kontrovers diskutiert, wie die Kamera auf großes Interesse stößt. Fallen die Unterschiede zur E-M1 II und Vollformat-Konkurrenz groß genug aus, um den Preis zu rechtfertigen?
Beim Gehäuse lässt Olympus schon einmal nichts anbrennen und setzt auf ein, für MFT-Verhältnisse, üppig dimensioniertes Metallgehäuse mit integriertem Akkugriff. Im Standardlieferumfang befinden sich, neben zwei großen Akkus (BLH-1), auch zwei passende Schnellladegeräte, das sonst übliche Zubehör sowie das aktuell wohl umfangreichste Handbuch in Papierform.
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Die beiden Akkus lassen sich nicht nur extern, sondern auch in der Kamera über den USB-C-Anschluss laden. Soweit, so normal? Nein! Die Olympus OM-D E-M1X unterstützt, als eine der ersten Kameras überhaupt, USB Power Delivery nach Version 3.0. Bis zu 27 Watt (9 Volt, 3 Ampere) können so zum Laden beider Akkus in der Kamera geliefert werden. Ein passendes USB-Netzteil gehört nicht zum Lieferumfang, im Test funktionierten aber diverse, leistungsstarke USB-C-Netzteile (Smartphone, Notebook) problemfrei mit der E-M1X.
Auf der Rückseite findet sich indes viel "E-M1 Mark II"-Technik: Das 3,0 Zoll große und mit 1,04 Millionen Pixel mäßig scharfe LC-Touchdisplay gesellt sich zu einem elektronischen Sucher (EVF) mit ebenfalls eher durchschnittlichen 2,4 Millionen Bildpunkten. Weitere Profi-Ausstattungsmerkmale wie ein Schulterdisplay oder beleuchtete Tasten (Lumix S1) fehlen leider.
Serienbild und Autofokus
Neben dem Gehäuse mit integriertem Akkugriff die größte Änderung im Vergleich zur E-M1 Mark II: Im Inneren stellen gleich zwei TruePic VIII-Bildprozessoren samt Passivkühlung Rechenleistung bereit. An der Serienbildgeschwindigkeit ändert das nichts. Bis zu 15 Bilder/s mit mechanischem Verschluss respektive 60 Bilder/s mit elektronischem Verschluss sind das Maximum.
Immerhin etwas mehr Ausdauer spendiert Olympus der OM-D E-M1X und vergrößert den Pufferspeicher. Knapp über 100 (15 FPS) respektive 50 RAW-Bilder (60 FPS) lassen sich in voller Geschwindigkeit aufnehmen, bevor die Speicherkarte zum limitierenden Faktor wird. Auch hier optimiert Olympus im Detail und stattet nun beide SD-Speicherkarten-Fächer mit einer schnellen UHS-II-Schnittstelle aus. Einen ausführlichen Test zu über 60 SD-Speicherkarten für die Olympus OM-D E-M1X finden Sie auf speicherkarten.guru.
Doch wofür dann die immense Rechenleistung? Die Antwort lautet: Autofokus. Olympus verpasst der OM-D E-M1X einen der zuverlässigsten und schnellsten Tracking-AF-Systeme, den die Kamerawelt gerade zu bieten hat. Der via Deep Learning (künstlicher Intelligenz) trainierte Autofokus kann neben menschlichen Gesichtern und Augen auch Fahrzeuge (Auto, Motorrad, Rennwagen), Züge sowie Flugzeuge erkennen und anschließend wie von Zauberhand verfolgen.
Doch selbst wenn die Kamera das Objekt nicht kennt: Der Tracking-Autofokus verfolgt auch Blüten im Wind oder andere prägnante Objekte über den (fast) kompletten Bildbereich. Nur was einmal aus dem Bild verschwindet, gerät augenblicklich in Vergessenheit.
Bildqualität
Aber auch beim Autofokus sind Olympus' Entwicklern noch nicht die Ideen ausgegangen, was man mit viel Rechenleistung so alles anstellen kann. Olympus hat seit Jahren viele spannende Funktionen wie Live Bulb (pseudo-Echtzeit-Vorschau von Langzeitbelichtungen), Live Composite oder den High-Resolution-Shot (hochauflösendes Foto) integriert und fortlaufend verbessert.
Die OM-D E-M1X bekommt zwar keinen neuen Bildsensor und bleibt folglich bei 20,2 Megapixeln Auflösung, dafür kann die High-Resolution-Aufnahme nun (optional) aus der Hand erfolgen. Falls möglich, sollte jedoch ein Stativ verwendet werden, da der Freihand-Modus bei Bewegung im Bild (z.B. lange Belichtungszeiten am Abend) eher zu kleinen Artefakten neigt und generell eine weniger hohe Auflösung erreicht als der Stativmodus. Dennoch eine willkommene Ergänzung, die für mehr Flexibilität sorgt.
Wer mit dem Stativ arbeitet, kann dabei auch gleich die neue Live-ND-Funktion ausprobieren. Wie der Name bereits vermuten lässt: Olympus simuliert via Software einen ND-Filter mit bis zu 32-facher Stärke – und das sogar erstaunlich gut. Die hochauflösende Aufnahme im Stativ-Modus fungiert übrigens indirekt auch als 8-fach Live-ND (siehe Bild oberhalb; rechts).
Videomodus, GPS und WiFi-App
Natürlich bietet auch die OM-D E-M1X einen 4K-Videomodus, wenn auch ohne Besonderheiten wie 60 Bilder/s in maximaler Auflösung oder Hybrid-Log-Gamma (HDR). Die Bildschärfe ist aber auf hohem Niveau und störendes Flimmern an feinen Strukturen (Moiré) trat im Test nicht auf. Mit Anschlüssen für HDMI-Rekorder, ein externes Mikrofon und Stereokopfhörer verschenkt Olympus keine Punkte.
Eine der wenigen Punkte, der sich von der Konkurrenz absetzt: Der Ton. In der E-M1X arbeitet ein hochwertiger A/D-Wandler, der auf Wunsch und ohne Zubehör unkomprimiertes HD-Audio (96 kHz, 24 bit) als LPCM-Stereo aufzeichnet. Auf der Kehrseite steht ein zwar vorhandenes Fokus-Peaking, das aber nicht immer optimal zu erkennen ist und das manuelle Fokussieren zuweilen erschwert.
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Im Vergleich zur OM-D E-M1 Mark II gibt es nun, zusätzlich zum W-LAN-Modul, auch Bluetooth 4.1 LE für eine energiesparende Dauerverbindung zum Smartphone oder Tablet. Eine Funktion, die heute leider immer noch wenige Kameras unterstützen: Die OM-D E-M1X bietet ein integriertes GPS-Modul samt Kompass!
Fazit und Empfehlung
Es ist eine Gratwanderung, die Olympus mit der [[ASIN:B07N7NZN7Y|OM-D E-M1X]] versucht. Bereits die 2.000 Euro UVP der Panasonic Lumix GH5 waren angesichts des kleinen Sensors umstritten, die vielen Profi-Video-Funktionen, die so zur Veröffentlichung einmalig waren und es zum Teil auch noch sind, machten die Kamera trotzdem zum Verfolg. Olympus bietet zweifelsohne eine robuste Kamera ohne nennenswerte Schwäche, bietet aber auch zu viel Angriffsfläche bei der Ausstattung.
Ein 4K-Videomodus mit bis zu 60 Bilder/s, ein schärferes Display und vor allem ein besserer Sucher sowie Schulterdisplay hätten der Olympus OM-D E-M1X gut gestanden – insbesondere zum Preis von 3.000 Euro. Auf der anderen Seite stehen ein herausragender Autofokus, flotter Serienbildmodus, eine hohe Bildqualität, gute Verarbeitung und der Lieferumfang überzeugt.
Spannend könnte die Olympus OM-D E-M1X vor allem für Sport- und Tierfotografen sowie die die Plane- und Train-Spotter-Gemeinschaft werden. Lange Brennweiten können dank des Crop-Faktors mit kompakteren Objektiven als im Vollformat erreicht werden und dank High-Resolution-Shot macht die E-M1X auch bei Landschaften, Architektur und Produktfotos eine gute Figur.