Es war ein großer Paukenschlag, als Sony mit der Alpha 9 im Jahr 2017 seine erste DSLM-Kamera vorgestellt hat, die endgültig ganz oben mitspielen will: Ein Preis von knapp unter 5.000 Euro (ohne Objektiv) zeigt bereits, wo die Reise hingehen soll. Soll. Denn im Test, knapp ein Jahr nach Ankündigung, bestätigen sich unsere Befürchtungen bezüglich des Ökosystems um die Sony A9 herum.
Aber zuerst zur Kamera selbst: Erstmals in der Vollformat-DSLM-Serie von Sony ist nun ein Joystick zu finden, der sich zum Verschieben der Fokusfelder einsetzen lässt. Wie bei fast allen anderen Bedienelementen der Kamera fällt auch hier die Bedienbarkeit mit Handschuhen umständlich bis unmöglich aus. Auch das fehlende Schulterdisplay ist ein klares Manko gegenüber vergleichbaren DSLRs.
Der Vorteil der A9 und A7-Serie liegt dafür auf der Hand: So klein und so leicht (673 g) ist kaum eine andere Vollformatkamera. Trotz der knappen Platzverhältnisse integriert Sony, neben einem alten micro-USB- und einem empfindlichen micro-HDMI-Stecker immerhin einen RJ-45-Netzwerkanschluss. Am zuweilen chaotisch strukturierten Menü ändert sich leider nichts.
Erfreulich: Sony hat nach viel Kritik endlich eingesehen, dass es einen größeren Akku braucht um anständige Akkulaufzeiten zu ermöglichen. Der neue [[ASIN:B071NHTQMJ|NP-FZ100]] speichert mit 16,4 Wh mehr als doppelt so viel Energie wie der bisherige NP-FW50 (7,7 Wh).
Serienbild und Autofokus
Der BIONZ X-Bildprozessor wird vom sogenannten Front-End LSI unterstützt und kann zudem auf DRAM-Cache-Speicher auf der Rückseite vom Bildsensor zurückgreifen (Exmor RS) – ein wahres Meisterwerk der Technik. Der Vorteil: Sony erreicht eine Serienbildgeschwindigkeit von 20 Bilder je Sekunde in voller Auflösung (24 MP) und Qualität (RAW). Aufgrund der enormen Datenmengen und des nach vielen Jahren endlich überarbeiteten Speicherkarten-Controllers, empfehlen sich UHS-II-Speicherkarten für eine möglichst schnelle Speicherung von Bild- und Videomaterial.
Ebenfalls lange überfällig im Profi-Segment war ein Dual-SD-Slot: Insbesondere für Hochzeitsfotografen ist ein direktes Back-Up oft unerlässlich. Leider ist nur der untere Steckplatz (#1) in der Lage UHS-II-Speicherkarten voll auszureizen. Auch ist die Sony A9 nicht "intelligent" genug selbstständig von Slot 1 auf 2 umzuschalten, sollte sich einmal keine Karte in Fach 1 befinden.
Der Hybrid-Autofokus kommt auf 693 Phasen-AF-Punkte, kombiniert mit dem Kontrast-AF vom Bildsensor - und das praktisch über den kompletten Bildsensor verteilt. Neben der guten Nachverfolgung (AF-Tracking) hat auch die Geschwindigkeit gegenüber dem Vorgänger noch einmal zugelegt und könnte nun auch Profis überzeugen. Selbst die suboptimale Kombination mit adaptierten Dritthersteller-Objektiven (Tamron 100-400 mm Di VC USD + Sigma MC-11) bringt den Autofokus der Sony Alpha 9 nicht aus dem Konzept.
Damit wären wir auch schon beim Problem: Adaptierte Objektive. Zugegeben, eigentlich eher Notlösung als Problem. Sony hat, auch ein Jahr nach Ankündigung der A9, kein einziges lichtstarkes Telezoom-Objektiv mit einer Brennweite von über 200 mm im Angebot. Ein 400 mm f/2.8 soll im Sommer 2018 erscheinen. Und danach? Funkstille. Kein Wort über ein 600 mm f/4 oder ähnliches.
Für eine auf Sport und Wildlife getrimmte Kamera ist das besonders kritisch. Das Verkaufsargument, die 20 Bilder/s in Kombination mit dem kontinuierlichen Autofokus, gibt es mit gerade einmal 14 Objektiven (Kompatibilitätsliste) - darunter ganze zwei Telezooms.
Bildqualität
Im Vergleich zu den Serienbild-Superlativen und dem flotten Autofokus mit nahezu 100-Prozent-Trefferrate ist die Bildqualität vom Bildsensor schon "enttäuschend normal". Damit keine Missverständnisse entstehen: Das Bildrauschen ist auf dem Niveau der Konkurrenz mit vergleichbaren Bildsensoren (Vollformat, ca. 24 Megapixel). Bis ISO-6400 lassen sich die Bilder noch gut verwenden, bei höheren ISO-Werten verschluckt aber auch bei der Alpha 9 das Bildrauschen extrem viele Details.
Zwar eignet sich die Sony A9 dank des gewohnt hohen Dynamikumfangs auch für Landschaftsaufnahmen, jedoch empfehlen sich hierfür eher hochauflösendere Modelle wie die Nikon D850 oder Sony Alpha 7R III, die zudem deutlich günstiger daherkommen.
4K-Videomodus
Stillstand beim Videomodus: Panasonic hat zuletzt mit Timecode-Generator, Dual-Native-ISO (Lumix GH5s), DCI-4K 60 FPS, HDR-Video (HLG), HD-Audio und Co massiv vorgelegt. Sony hingegen beschneidet das hauseigene Topmodell auch noch um S-log-Gamma und bietet damit sogar weniger als bei der günstigeren Alpha 7R III, die hausintern ebenfalls nicht als Video-Spezialist (7s-Serie) gilt.
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Anschlussseitig ist der empfindliche micro-HDMI-Stecker keine gute Wahl für Video-Profis. Immerhin: Mikrofon-Eingang und Kopfhörer-Ausgang sind vorhanden und befinden sich unter einer Abdeckung. Auch die Bildschärfe im 4K-Videomodus ist ausgezeichnet und der Autofokus macht einen guten Job. Vor allem für schnelle Aufnahmen "nebenbei" in hoher Qualität ist die A9 damit wie gemacht.
Fazit und Empfehlung
Eine Kamera, die vor allem am Umfeld krankt. An der [[ASIN:B06ZZFPP4N|Sony Alpha 9]] selbst gibt es wenig zu kritisieren. Sinnvollen Neuerungen wie dem zweiten Cardslot, Autofokus-Joystick, größerem Akku und geradezu brachialen 20 Bilder/s stehen ein teils willkürlich sortiert wirkendes Menü, schlechte Bedienbarkeit mit Handschuhen und viele weiteres Details gegenüber.
Sonys größtes Problem ist ebenfalls hausgemacht und nennt sich "Objektivangebot". Die beste Kamera bringt nichts ohne die passenden Objektive. Eine pfeilschnelle Profi-DSLM ohne lichtstarke Teleobjektive? Damit empfiehlt sich die Alpha 9 derzeit primär für Hochzeits- oder Event-Fotografen, die dank des lautlosen elektronischen Verschluss nicht auffallen – zumindest akustisch.